Georg Friedrich Zundel

Schwäbische Kunstschau

26.03. – 01.04. 1910

Fritz Zundel.
Von Eugen Tubandt.

Unter den jüngeren schwäbischen Künstlern nimmt Fritz Zundel eine besondere Stellung ein. Unbeirrt durch alle Modestömungen, gegenüber allem Wechsel des Erfolges und abseits des Kunstmarktes überhaupt, ist er seinen Weg gegangen. Eine innerlich gefestigte Persönlichkeit, die von der Richtigkeit ihres künstlerischen Zieles durchdrungen ist, verschmähte er es, die Öffentlichkeit von seinem wachsenden Können zu unterrichten, obwohl ihm vor Jahren, da er in Frankfurt a.M. mit einigen Gemälden vertreten war, die Kritik ein hohes Lob ausstellte. Die Porträts, die Zundel malte, sind verstreut, und die grösseren Gemälde wurden von einigen Industriellen gekauft, so dass es für den Uneingeweihten sehr schwer ist, eine umfassende Übersicht über das bisherige Schaffen zu gewinnen. Als Bildnismaler zeichnet den Künstler eine absolute Sachlichkeit und Ehrlichkeit aus. Er bedarf ihrer als Umrahmung für die fesselnde Belebung und seelische Vertiefung des Gesichtsausdruckes. Dabei versenkt er sich mit einer Liebe in die Details, die von höchstem künstlerischen Ernst durchdrungen ist. Man sehe sich darauf die virtuose Beherrschung der Hand auf den beigegebenen Bildern an. Die Beschränkung auf das stofflich Einfache hat Zundel am weitesten in seinen Arbeiterbildern durchgeführt, und neben bestellten Porträts hat er fast nur Arbeitertypen geschaffen. Hier ist des Künstlers eigenstes Gebiet. Sein Wohnsitz, ein kleines Landhaus bei Stuttgart, ermöglichte ihre das Studium des Industriellen wie des landwirtschaftlichen Arbeiters. Er hat beide in ihrer äusserlichen Erscheinung u. den seelischen Äusserungen so ausgezeichnet geschildert, dass sein Wirken über die schwäbischen Grenzen hinaus bekannt zu werden verdient. 

Zundels Kunst drängt sich nicht auf und erschliesst sich auch nicht gleich dem Betrachter. Man muss, um ein Wort Wilhelm Buschs aus „Eduards Traum“ zu benützen, auch Appetit mitbringen. Seinen Werken fehlt jede Pose, jedes Süsslich-Konventionelle, Kitschige und Gesuchte des Gegenstandes. Der Mangel alles stofflich Interessanten hat jedoch auch seine Vorzüge, denn er konzentriert die Aufmerksamkeit auf das Wesen der Zundelschen Kunst, die Reproduktion des seelischen Lebens der dargestellten Objekte durch Haltung, Gebärde und Physiognomie. Trotz aller Detailtreue haben die al prima gemalten Werke etwas Grosszügiges, teilweise und nicht nur im Format einen Zug ins Monumentale durch die Einfachheit, Ruhe und Strenge ihrer Linien. — Wo Meunier nur den Rhythmus der Arbeit in den menschlichen Formen gab und darum die letzteren steigerte, dringt Zundel zu der seelischen Wesenheit des Arbeiters vor. Um diese ungetrübt zu zeigen, wählt er den ruhenden Arbeiter, bei der Arbeitspause oder auf der Heimkehr. In einem Bild schildert er auch den kämpfenden Arbeiter, wie er auftritt als Angehöriger eines um seine Emanzipation kämpfenden Standes. Dieser Arbeiter wirkt grandios in seiner kraftvollen Entschlossenheit, vielleicht unheimlich für jemand, dem bange ist um das Zauberwort, das ihn bannt, je nach den Gefühlen, mit denen man ihn betrachtet. Ein warmes künstlerisches und seelisches Pathos geht durch die ganze Gestalt, die zu den besten gehört, die der Künstler geschaffen hat. Rascher erschliessen sich die Feinheiten des ‚jugendlichen Fabrikarbeiters in der Bluse (siehe 
Abbildung), die mit ihrer blauen, von dunklen Ölflecken durchsetzten Farbe koloristisch ganz meisterhaft wiedergegeben ist. Die Haltung mit der flachen Brust ist typisch für den Fabrikarbeiter, und aus den Zügen des Burschen blickt hinter einer gewissen durch den Mechanismus der Arbeit bedingten Stumpfheit ein geistiges Leben hervor, dem selbst die Liebenswürdigkeit nicht mangelt. 

In dem grossen Bild „Der Feldarbeiter“, das einzig in einer Ausstellung der Kunstgenossenschaft in Stuttgart kurze Zeit zu sehen war und später in Privatbesitz überging, hat sich Zundels Können zu einer prachtvoll geschlossenen Komposition vereinigt. Kraftvolle Ruhe herrscht in allen seinen Teilen. Wie aus ihr herausgewachsen, unabänderlich ihr zugehörig, steht der Arbeiter fast auf der beherrschten Erde, den trotzig kernigen Nacken leicht gebeugt, selbst in der Ermüdung noch ein Symbol der Kraft.

Zundel liebt und bearbeitet die Scholle. Halb Landwirt, kennt er ihre Farben und den Reiz des aufgeworfenen Erdreiches. Darum sind seine Gestalten wie von frischem Erdgeruch umwittert. Man meint, aus den lehmig-feuchten Furchen den würzigen Duft aufsteigen zu sehen, so vortrefflich ist ihm auf diesem Bilde der Acker in der Farbe gelungen, eine Kunst, deren Genuss freilich auch an den Beschauer Anforderungen stellt. Auch die Art, wie der Künstler seine Figuren in den Raum zu bringen weiss, um eine einheitliche Bildwirkung zu erreichen, offenbart sich in dem „Feldarbeiter“. Wie schon aus den gewählten Sujets seiner Bilder hervorgeht, bevorzugt Zundel das Urwüchsige, Kräftige im Zeichnerischen wie im Koloristischen, in dem er manchmal an Leibt erinnert. Seine Pinselführung ist straff und sicher bei den Übergängen; Halb- und Volltöne gelingen ihm gleichermassen prächtig, und trotz aller Sachlichkeit und überzeugenden Treue nimmt er besonders bei den Porträts der Farbe nichts von ihrem inneren Leben. Er malt Arbeitergesichter im Sonnenschein, aus denen das Licht in Lebensfreude umgesetzt flutet, jugendliche Gestalten, die von Daseinslust strotzen und ernste, ergraute Männergesichter, aus denen die Reife aller menschlichen Dinge blickt. 

Es gibt jedoch keine grossen Vorzüge, die nicht zugleich Gefahren in sich bergen. Das was Zundel zu einen geschätzten Porträtmaler macht, die Bändigung der Phantasie zu Gunsten der Sachlichkeit, kann leicht zur Enge werden. Möge die Entwicklung, die ihm noch offen steht, die harmonische Verbindung des Realismus mit der schöpferischen Freiheit zu jener Höhe führen, die die Krönung jedes künstlerischen Schaffens ist. 

Zundels Kunst hat sich ohne besondere Ermunterung aus der weiteren Öffentlichkeit emporgerungen. In einer Zeit, die sich auch in der bildenden Kunst nur allzu gern durch den Gegenstand über die Qualität des Kunstwerkes täuschen lässt, mag ihre stille und ehrliche Art hier und da verkannt werden, die Zukunft wird auch Zundels grossem Talent und seiner einzigartigen Betätigung die Früchte der Anerkennung reifen. 

Aus: Schwäbische Kunstschau, Illustr. unabhängige Wochenschrift für Kunst und Kultur in Schwaben, 26.03. – 01.04. 1910, S. 133f..

Im Text beschriebene Werke: 

Georg Friedrich Zundel 
Die Erde, 1904 
235 x 172 cm, Öl auf Leinwand 
signiert und datiert unten links

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